Doktorarbeit von Prof. Dr. Julia Naskrent

2.2 Potenzial der Spenderbindung für Nonprofit-Organisationen 71 Bei Fundraisingkampagnen steht oftmals die Dringlichkeit der Spende (Zeitdruck) im Fokus. 454 NPOs bemühen sich oftmals so sehr um neue Spender, dass sie die bereits gewonnenen Unterstützer vernachlässigen. 455 Spender erleben häufig nur die Akquisitionsbemühungen und die Zahlungsvorgänge, während die NPOs sich nicht bemühen, den Rest ihrer komplexen Leistungen für die Spender nachvoll- ziehbar zu machen. 456 Auch die vorherrschende fehlende Akzeptanz von Marktforschung, mit der NPOs ihre Spender verstehen könnten, dokumentiert eine transaktionale Einstellung der NPOs. 457 „Die Mehrzahl der Nonprofit-Organisationen in Deutschland macht sich nicht die Mühe, ihre aktuellen und potenziellen Förderer wirklich kennen und ver- stehen zu lernen, also systematisch und regelmäßig deren Bedürfnisse zu erkun- den.“ 458 Es zeigt sich, dass zahlreiche NPOs – absichtlich oder nicht – die im kommerziel- len Marketing bereits so erfolgreich eingesetzten Prinzipien und Methoden der Kundenbindung nicht im Sinne einer wertneutralen Sozialtechnik für ihre Zwecke nutzen. 459 Die Diskrepanz zwischen der notwendigen, d. h. in der Wissenschaft geforderten Art des Relationship Fundraising und dem aktuellen transaktionalen Fundraising 460 verdeutlicht Tabelle 4. 461 eine Orientierung an den Spenden immer noch weit verbreitet [!], das heißt, Organisationen widmen sich eher der Gewinnung von Erstspendern und weniger der strategischen Ausrich- tung an den Spendern, sprich einer konsequenten Bindung der bestehenden Förderer.“ 454 Vgl. Sargeant (2009), S. 270; Wilke (2008 a), S. 6; Sargeant (2001 c), S. 26. 455 Vgl. Lee (2002), S. 111; Rentschler u. a. (2002), S. 124; Tucker (1999), S. 36. 456 Vgl. Scheuch (2007), S. 261. Ein konkretes Beispiel für solche Aquisitionsbemühungen führen Schumacher/Salz (2008), S. 64 auf. 457 Vgl. Sargeant (2009), S. 50; Jastram (2007), S. 5; Urselmann (2007), S. 225; Arbuth- not/Horne (1997), S. 76. 458 Haibach (2006 a), S. 241. Burgy (2009), S. 60 beschreibt dieses Fehlverhalten vieler NPOs ebenfalls: „Doch allzu häufig wird die Erforschung der Präferenzen aus Gründen des damit verbundenen finanziellen und personellen Aufwands und des mangelnden Be- wusstseins für die Bedürfnisse der Spender vernachlässigt.“ 459 Vgl. Bruhn (2004), S. 107; Burnett (2002), S. 2; Schneider (1997), S. 267; *otheis (1995), S. 21. Siehe Polonsky/Sargeant (2007), S. 469 ff. für ein konkretes Beispiel. Da- bei gibt es laut Peltier/Schibrowsky/Schultz (2002), S. 23 keinen Bereich, der so viel von einem Einsatz der Marketing-Instrumente profitieren würde, wie der Dritte Sektor. 460 Vgl. Hönig/Schulz (2008), S. 285. Als ein weiterer Beleg sei beispielhaft die Untersu- chung von McCort (1993), S. 60 angeführt. 461 Schneider (1996), S. 195 formuliert dies prägnant: „Institutionen müssen ihre strategi- sche Ausrichtung von der Spenden orientierung und damit der Gewinnung von Erstförde- rern in Richtung der Spender orientierung verändern, was nichts anderes bedeutet, als daß [!] sich die Marketingaktivität verstärkt auf die konsequente Bindung der Klientel und die

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